Die Bremer Stadtmusikanten lebten nun schon ein paar Jahre im kleinen verfallenen Haus auf der Waldlichtung.
Der Hahn hatte ein paar Hühner um sich geschart und spazierte mit ihnen täglich quer über den Vorplatz. Dank ihm konnten sich die Tiere an täglich frischen Eiern laben. Der Hund hatte sich im Unterholz neben dem Haus einen schönen Wachplatz gesucht, von wo aus er tagaus tagein darüber wachte, dass keine ungebetenen Gäste der Idylle zu nahe kamen. Die Katze sorgte für Ordnung im Haus und kochte täglich feinste Menüs. Der Esel holte am Bach das Wasser für den Gemüsegarten und trug das Brennholz zusammen und lagerte es im Schuppen.
Eines Tages lag der Esel wie häufig vor dem Mittag an der Sonne vor dem Hauseingang und genoss die Sonne. Plötzlich iahte er laut: Könnt ihr eure Hühnerkacke nicht anderswo liegen lassen statt ausgerechnet hier auf dem Vorplatz? Der Hahn und die Hühner erschreckten sich fast zu Tode, gackerten laut und flatterten davon. Der Hund, der das von weitem gesehen hatte, kam freundschaftlich zum Esel gelaufen und sagte zu ihm: Ach weisst du, ich verstehe dich schon, aber du solltest mit den Hühnern nicht so laut reden, mit deiner Art erschreckst du sie zu sehr. Möglicherweise nimmst du das selbst nicht wahr, aber du wirkst laut und ungehobelt.
Gegen den Herbst hin zog der Esel täglich in den Wald, um die Holzvorräte vor dem Winter aufzufüllen. Er kam hungrig wie ein Bär zurück und freute sich jedesmal darauf, das gemeinsame Mahl zu geniessen, denn der Gemüsegarten gab wahrlich feine Sachen her. Er frass mit Genuss die Möhren auf und schmatzte dabei laut. Die andern Tiere fanden das sehr unappetitlich und erklärten ihm sanft, dass er, wenn er an ihrem Tisch sitze, doch bitte ganz manierlich und in kleinen Bissen essen möge, das wäre die richtige Art zu essen.
An einer der nächsten gemütlichen Runden vor dem Kamin berichtete der Esel, dass der Raum für den Brennholzvorrat leider ein Loch im Dach habe und er nicht in der Lage sei, dieses Loch selbst zu flicken. Sobald der nächste grosse Regen komme, werde das ganze Brennholz durchnässt und das werde dann wohl einen kalten Winter für sie alle geben. Wie kannst du es wagen, so pessimistisch zu sein? wurde er gefragt. Wir rackern uns täglich ab und du glaubst nicht daran, dass wir es weiterhin gemütlich haben? Du solltest mehr Vertrauen entwickeln. Ja, aber wandte der Esel ein, wieso sollte ich Vertrauen können, wenn ich doch das Loch sehe? Deine laute Stimme tut mir in den Ohren weh, beklagte sich die Katze. Du überschätzt dich mit deinem Holzvorrat, krähte der Hahn. Weisst du, ein ja aber hilft uns nicht weiter, versuchte der Hund zu beruhigen. Wir schätzen ja deine tatkräftige Hilfe sehr, aber deine Art ist halt schon schwierig für uns. Ein Huhn kam später zu ihm und vertraute ihm an, dass er ja nun wirklich recht habe, aber wenn alle so pessimistisch wären, dann könnte man ja nicht mehr in Ruhe gemeinsam im Haus leben.
Der Esel versuchte am nächsten Tag, auf das Dach zu klettern, um das Dach zu flicken. Aber er schaffte es beim besten Willen nicht. Beim Essen sass er manierlich da und sagte möglichst wenig, damit seine krächzende Stimme keinen erschreckte. Der Hahn sah, dass der Esel von Tag zu Tag abmagerte und gab ihm den Rat, besser zu sich zu schauen und sich vielleicht von der strengen Arbeit mal eine Auszeit zu genehmigen. Jetzt im Herbst? Wo all die schweren Vorräte geschleppt werden müssen? Der Esel schüttelte resigniert den Kopf. Wir schaffen das nicht, das Dach zu flicken, brummelte er, aber wieder tönte es lauter als geplant und der Hahn flog erschreckt auf. Da er grad schon mal auf dem Dach sass, schaute er es sich genauer an. Bestürzt kam er wieder runter und krähte, au weia, das schaffen wir nie und nimmer. Wir brauchen einen Dachdecker. Ich kümmere mich darum.
Nach einem weiteren Monat war klar, dass der Dachdecker gerade keine Zeit hatte und erst im nächsten Frühjahr wieder neue Aufträge annahm. Der Hahn sagte, ja, da können wir jetzt auch nichts machen, wir müssen das selber hinkriegen. Wir haben halt die Verantwortung selbst dafür. Als der Hahn dem Hund sagte, dass vielleicht was dran sein könnte an den Befürchtungen des Esels, knurrte der Hund – ist ja noch Zeit. Und ein Huhn, das daneben stand, gackerte aufgeregt: Ihr redet immer von Regen, ich sehe weit und breit keinen Regen. Falls er dann doch mal kommen sollte, können wir immer noch entscheiden, was wir machen.
Der Esel grübelte weiter. Er begann, seine Holzvorräte ins Hühnerhaus zu tragen. Da kam er aber schlecht an – das ist nicht unsere Sache, lass uns gefälligst in Ruhe mit deinem Holz, gackerten die Hühner aufgeregt. Der Esel trug die Holzvorräte ins Haus. Die Katze fauchte ihn an: Was glaubst du eigentlich, wieviel Platz du hier beanspruchen kannst? Es gibt noch andere hier, die Bedürfnisse haben. Du könntest doch eigentlich selbst merken, wie du allen auf den Nerv gehst.
Er überlegte hin und her. Er entschied, dass das kein Leben für ihn war und dass er keine Lust mehr hatte. Er packte sein Bündel auf seinen Rücken, iahte zum ersten Mal seit langer Zeit wieder mal so richtig laut und krächzend und zog los. Zuversichtlich, Kameraden zu finden, die ihn so nehmen würden, wie er war: Grau, laut, kräftig, tollpatschig und stur, wie Esel halt so sind.
Geschrieben 2016: Mitarbeit in einer Genossenschaft