Gestern ein langes Gespräch mit Milena, einer ehemaligen Mitarbeiterin, die gerade eine berufliche Krise dazu nutzt,
sich aktiv persönlich weiter zu entwickeln. Sie erklärt mir, sie sei auf Viktor Frankls Aussage
"Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum befindet sich unsere Macht, unsere Antwort auszuwählen. In unserer Antwort liegt unser Wachstum und unsere Freiheit."
gestossen, das beschäftige sie sehr.
Mich selbst erinnert das daran, dass Viktor Frankl für mich eine wichtige Person war in jungen Jahren. Es war mein unglaublich hilfreicher Hausarzt, der mir in meiner Verzweiflung über das bedrohte Leben meines Babys das kurz zuvor erschienene Büchlein "Das Leiden am sinnlosen Leben" von Viktor Frankl empfahl. Ich entnahm diesem ziemlich theoretischen Text zur Psychotherapie die für mich entscheidende Einsicht, dass im Leiden die Aufforderung an mich liegt, trotzdem oder gerade damit jeden Tag sinnvoll zu leben. Diese Einsicht hat es mir ermöglicht, nicht unterzugehen sondern die Herausforderungen anzunehmen, die das Heute für mich bereithält. Deshalb auch lautete 20 Jahre danach für mein Buch MutterHerzKind mein Leitspruch:
Gestern ist vorbei - Morgen ist Träumerei - nur Heute, Heute ist alles möglich.
Eine sehr interessante Diskussion über das Wirken von Viktor Frankl findet sich auf youtube, wenn man nach Gunter Schmidt und Viktor Frankl sucht. In diesem Video habe ich den schönen Satz von Frankl aufgeschnappt:
"Ich muss mir doch von mir nicht alles gefallen lassen!"
Das durchfuhr mich wie ein Blitz - was für eine tolle Formulierung dafür, dass es in mir verschiedene Instanzen gibt, die unterschiedlich agieren. Es gibt ein Ich, das die Steuerung übernehmen kann! Leider neigt dieses Ich dazu, genau dann zu vergessen, was eigentlich für mich jetzt wesentlich wäre, wenn ich unter Stress und Angst stehe. Diese Ich kommt nur dann zum Zug, wenn man in Ruhe und Sicherheit sich selbst nachspürt.
Und da habe ich von Sylvia Wetzel in einem sehenswerten Video zum Thema Musse auf youtube gehört, was sie als Ressourcen betrachtet, um an sein Ich als Steuerungsorgan heranzukommen:
- Achtsamkeit (im Hier und Jetzt)
- Mitgefühl (mit sich selbst und andern)
- Resilienz (Schwierigkeiten aushalten. Dabei helfen Freude, Beziehungen und Sinn)
- Musse (Abwesenheit von Leistungsdenken).
Damit sind die für mich hilfreichsten Werkzeuge in meinem eigenen Leben benannt. Meine eigene Persönlichkeitsentwicklung wurde befeuert dadurch, dass ich meine Resilienzfähigkeit entwickeln musste um zu überleben. Dank meiner Freunde und Freundinnen, die mich nun schon zwischen 10 und 40 Jahren begleiten, konnte ich mich immer wieder aufrappeln. Und über Yoga und Autogenes Training habe ich früh Achtsamkeit geübt, Achtsamkeit ist bis heute aber eine grosse Herausforderung für mich geblieben. Genau so wie das Leistungsdenken, das mich immer wieder daran hindert, einfach zu sein (Musse). Zum Glück hilft die jetzige Lebensphase dabei, dass mir das etwas besser gelingt - endlich bin ich den Zeit- und Leistungsdruck von aussen los.
Leider dünkt mich aber auch, dass im Alter das Mitgefühl mit sich selbst und mit andern nicht von selbst besser wird. Ehe man sichs versieht, nimmt der Egoismus und die Gleichgültigkeit zu. Da will ich dranbleiben, da bleibt noch viel zu tun. Ohne Leistungsdruck?