Ich bin eine Exotin. Eine glückliche Spinnerin. Gestern hatten wir Besuch
von einem befreundeten Ehepaar. Ungläubiges Staunen über unsere Wohnung: vier Zimmer, hell, wenige Möbel, keine Bilder an den Wänden. Verlegenes Ausweichen auf die Aussicht. Toll habt ihrs hier. Bald schon die Klagen darüber, wie die Kosten steigen und das eigene Haus immer belastender wird. Aus Alters- und Kostengründen, klar, das ist schwierig. Und im Haus in Portugal gab es Sturmschäden, das lässt sich jetzt nicht mehr verkaufen. Und dabei wurde soviel investiert. Ein langes Klagelied.
Nachdem die Zwei wieder gegangen sind, setze ich mich in meinen billigen bequemen Sessel und schaue mich um. Ich bin zufrieden. Um mich herum ist viel Leere und Ruhe. Unsere Geräte (und ja, wir sitzen Beide viel am Laptop im Wohnzimmer) sind selten im Standby weil wir sie voll abschalten. Unsere Beleuchtung ist stromsparend optimiert. Unsere Heizung ist auf das Minimum eingestellt, noch ist es Mitte Dezember warm genug in unserem Minergie-Wohnblock, eine warme Strickjacke und Hausschuhe und die ab und zu wärmende Sonne durch unsere grossen Fenster reichen noch aus, um nicht zu frieren.
Ich bin gerne zuhause. Ich schätze den Kontakt zur Welt über das Internet, den Kontakt mit meinen Kindern und Enkelkindern über den Chat. Ich liebe es, Filme zu schauen, die mir die Natur und Geschichte aller Erdteile auf mein Sofa bringen. Und ich schätze die Freiheit, Leute irgendwo in der Schweiz zu treffen und dann viel Zeit zum Austauschen und Zuhören und Anteilnehmen zu haben, so lange es eben braucht. Denn die Leere und Ruhe herrschen auch in meiner Agenda, und immer häufiger auch in meinem Kopf.
Glücklich gehe ich in mein Zimmer, wo meine Musikinstrumente und meine Mal-Utensilien, meine Stoffe und die Stricksachen sind. Ich bin gezwungen, da gut Ordnung zu halten, denn mein Zimmer ist nicht so gross. Ich nutze es zum malen, musizieren und schlafen. Wenn ich meditieren und Körperübungen machen will, ist da in der Regel noch mein ehemaliges Büro. Hier ist Leere und Raum für Menschen, die für kürzere oder längere Zeit eine Übernachtungsmöglichkeit brauchen.
Ich lebe im Luxus der Einfachheit, unbelastet von teuren Design-Möbeln, Status-Symbolen und Sorgen von Besitzenden und ich lebe in einem sicheren Land ohne Krieg und Hungertote. Ich spüre bloss die Verpflichtung, mich um die weniger Privilegierten zu kümmern.