Heute kam ich kaum aus dem Bett. Schon lange haben die Krähen draussen gekrächzt, sie füttern ihre hungrigen Jungen. 

Ich nehme mein Medikament für die Schilddrüse und das bedeutet, dass ich jetzt eine halbe Stunde warten muss, bis ich meinen ersten Kaffee trinken darf. Wie jeden Morgen in den letzten Woche ärgere ich mich über mich, dass ich nicht früh aufgestanden bin zum meditieren und Übungen machen, dann wäre die Medikamenteneinnahme nämlich längst vorbei und ich würde erst noch wach sein ohne Kaffee.

Nach dem Frühstück lese ich die Zeitung, wie immer die auf Papier und dann noch online die Republik. Ich lese einen Artikel darüber, wie viele Psychopharmaka verschrieben werden. Die Empörung in den Kommentarspalten ist gross. Ich denke mir, dass wir täglich Dinge in der Zeitung lesen, die auf dasselbe zurückzuführen sind: Unser getriebenes Treten im Geldrad und unser Warten auf die Like-Belohnung.

Aber dann ist es auch Zeit, um schnell einkaufen zu gehen. Ich sage meinem Mann, dass ich sofort zurück sein werde. Auf dem Weg treffe ich eine gute Bekannte. Sie sagt auf Nachfrage, es gehe ihr gut, aber sie sieht nicht so aus. Wirklich? Du wirkst nicht so, als ob es Dir gut ginge. Sie zögert - dann sagt sie entschieden: Hast Du Zeit? Ich würde gerne mit Dir reden.

Wir setzen uns ins nächste Kaffee und sie erzählt mir von ihrem Neffen Yven, der ihr sehr nahe steht und um den sie sich seit Jahren allergrösste Sorgen macht.

Gegen Mittag komme ich wieder nach Hause und freue mich, dass ich jemandem zuhören und an einem fremden Leben teilnehmen konnte. Meine Gedanken hängen noch lange an dem Gespräch und ich habe wieder etwas mehr davon verstanden, wie Menschen ihr Leben meistern.